Im Jahr 2012 initiierten die G8-Staaten ein Entwicklungsprogramm, das 50 Millionen Menschen bis 2022 von der Armut befreien soll. Die Neue Allianz für Ernährungssicherheit (NAFSN) wird in 10 Ländern in Sub-Sahara Afrika durchgeführt und nutzt einen Multi-Akteurs-Ansatz unter starker Beteiligung des privaten Sektors.

Von Anfang an wurde die Initiative von zivilgesellschaftlichen Organisationen weltweit genau beobachtet. Da gibt es einige Probleme mit der NAFSN. Um mehr Investitionen im Rahmen des Programms zu erhalten, werden Regierungen dazu gezwungen, Reformen durchzuführen.

Die Liberalisierung von Ackerland hat dem Landgrabbing Tür und Tor geöffnet und hinterlässt kleinbäuerliche Betriebe ohne ihr wichtigstes Produktionsmittel. Die Förderung von zertifiziertem Saatgut (hybrid und genetisch modifiziert) gefährdet die Biodiversität und beraubt die Kleinbäuerinnen und -bauern ihrer eigenen Saatgutsysteme, die ihr Überleben sichern. Und Steuerreformen laden große multinationale Unternehmen auf lokale Märkte ein, so dass lokale Unternehmen die Folgen der Machtassymmetrie in Form von Einnahmeverlusten tragen müssen.

Auf diese Weise bevorteilt das Programm die Agroindustrie zum Nachteil von kleinbäuerlichen Betrieben, die aber mehr als 70% der Nahrungsmittel weltweit produzieren. In diesem Licht ist die NAFSN nicht kohärent mit der 2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung und ihren 17 Zielen.

Ernährungssicherheit und Tabak in Malawi

Malawi ist ein dicht besiedeltes Land, in dem 35,8% der Bevölkerung unterernährt sind. Gleichzeitig ist das Land stark abhängig von Tabakexporten, die ca. 50% der Gesamteinnahmen aus Exporten ausmachen. Malawi ist der weltgrößte Exporteur von Burley-Tabak und ist der WHO-Tabakrahmenkonvention (FCTC) bislang nicht beigetreten.

Die NAFSN in Malawi unter der Führung der EU beinhaltet unter dem Vorwand verbesserter Ernährungssicherheit die Stärkung des Tabakanbaus, sowohl in Bezug auf den Ertrag pro Hektar als auch auf die Anbaufläche. Außerdem kooperiert das Programm mit den malawischen Tochterunternehmen der weltweit führenden Rohtabakunternehmen: Alliance One Malawi (AOM) und Limbe Leaf Tobacco Company (LLTC).

Laut Fortschrittsbericht von 2014 hat AOM unter anderem vor, die Produktion von heißluft-getrocknetem Virginia-Tabak zu versechsfachen und die von Burley-Tabak fast zu verdoppeln. Außerdem plant die Firma, ihre Anbaufläche für Tabak, aber auch Mais und Soja, zu verdreifachen.

LLTC beabsichtigt im Grunde die Transformation des Tabakanbausektors in Malawi – vom Auktionssystem zum Vertragssystem – voranzutreiben. Durch direkte Verträge mit den Bäuerinnen und Bauern gewinnt die Firma die Kontrolle über den gesamten Produktionszyklus und kann seine Macht bei der Klassifizierung des Tabaks und der Festsetzung von Preisen voll ausspielen.

Ein anderes Unternehmen, Mpatsa Farms Ltd., hatte geplant, Fischzucht und den Anbau von Reis, Baumwolle, Soja und Mais zu beginnen. Im Jahr 2014 räumte die Firma ein, dass sie ihre Pläne aufgegeben hatte. Anstatt die Finanzen in Fischzucht, Soja und Baumwolle zu stecken, war Mpatsa Farms Ltd. „aufgrund von Preisvorteilen“ auf Tabakanbau ausgewichen.

Das Ergebnis: Die NAFSN bewirkt für Malawi eine erneute Verstärkung der Abhängigkeit von Tabakexporten. Die Initiative gefährdet die Ernährungssicherheit und vertieft die Armut unter Pächter_innen sowie Kleinbäuerinnen und -bauern. Sogar der ehemalige Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, berichtete über die extrem prekäre Situation von Tabakpächter_innen nach seinem Besuch im Juli 2013.

Ernährungssicherheit und FCTC Artikel 5.3

Abgesehen davon, dass die NAFSN die Ernährungssicherheit gefährdet statt sie zu verbessern, wird die Kooperation mit Tabakfirmen von Frontgruppen der Tabakindustrie zur Bewerbung ihres Produkts ausgenutzt, z.B. von der International Tobacco Growers‘ Association (ITGA). Deren neu gewählter Vizepräsident, Reuben Maigwa aus Malawi, behauptete sogar, dass das Vertragssystem der Tabakindustrie zu nachhaltigem Tabakanbau und Ernährungssicherheit führen würde.

In einem Land, in dem ein Drittel der Bevölkerung unterernährt ist, ist es absurd und zynisch, Tabakanbau zu befördern statt den Umstieg auf Nahrungsmittel. Wenn in Malawi die gesamte Tabakanbaufläche für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt würde, könnten damit 750.000 Menschen ernährt werden.

Die Kooperation mit Tabakfirmen in der NAFSN dient allein den kommerziellen Interessen der Industrie, so auch dem Aufpolieren ihres Images als eine verantwortungsvolle Industrie, das sie in ihrem Kampf gegen Tabakkontrolle stets hervorhebt.

Deshalb muss der FCTC Artikel 5.3, der den Schutz vor den Interessen der Tabakindustrie beinhaltet, auch für entwicklungspolitische Maßnahmen angewendet werden, um mehr Politikkohärenz für eine nachhaltige Zukunft zu erreichen.

Dieser Artikel wurde zuerst in gekürzter Form im FCA Bulletin für die COP7 in Delhi veröffentlicht